Nazi-Aufmarsch in Remagen (24.11.2013)
Polizei bleibt Herr der Lage
Dem Aufmarsch von gut 230 Rechtsradikalen und Neonazis, die sich am Samstag einmal mehr zu einem so genannten "Trauermarsch" zur Friedenskapelle "Schwarze Madonna" formiert haben, ist die Stadt
Remagen mit dem "Tag der Demokratie" begegnet.
Etwa 230 Rechtsradikale zogen vom Remagener Güterbahnhof zur Kapelle "Schwarze Madonna" zur Abschlusskundgebung.
Unter dem Motto "Remagen ist bunt" haben Politik, Vereine, Kirchen und Schulen braunen Unruhestiftern mit einem informativen und fröhlichen Friedensfest Paroli geboten. Höhepunkt war der Auftritt
von Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die mit ihrem Besuch die Aktionen der Bevölkerung für Demokratie und Toleranz sowie gegen Rechtsextremismus und Gewalt ebenso wie Wirtschaftsministerin
Eveline Lemke, Landrat Jürgen Pföhler, die heimischen Landtagsabgeordneten, Bürgermeister der Nachbarstädte oder auch Staatssekretärin Beate Reich unterstützt hat.
Aktivisten aus verschiedenen politischen Lagern hatten bereits vor Wochen zu Versammlungen und Kundgebungen in Remagen aufgerufen und bei der Kreisverwaltung Ahrweiler angemeldet. Mit einem
Großaufgebot gelang es der Polizei, Konfrontationen zwischen den rivalisierenden Aktivisten zu verhindern. Störversuche wurden sofort zunichte gemacht. Die Stadt Remagen befand sich allerdings
mehr als sechs Stunden im Ausnahmezustand.
Bevor die Rechtsradikalen am Remagener Bahnhof eingetroffen waren, zogen etwa 350 Linke unter dem Motto "NS Verherrlichung stoppen! - Nazis in Remagen und anderswo entgegentreten!" durch die
Innenstadt zur "Schwarzen Madonna", wo einige Stunden später der Aufmarsch der Rechten enden würde.
Um ein Aufeinandertreffen der beiden Gruppen zu verhindern, wählte die Polizei zwei verschiedene Demonstrationswege. Dennoch versuchten kleinere linke Gruppen immer wieder, den Neonazi-Aufmarsch
zu stören. "Abschaum!, Abschaum", skandierten die linken Aktivisten. Schnelleingreiftruppen der Polizei sorgten dafür, dass es keine unmittelbaren Konfrontationen gab. Nach einer Kundgebung an
der Friedenskapelle ging der Aufzug der Rechten wieder zurück zum Güterbahnhof und endete dort.
In der evangelischen Friedenskirche zeigte das Bündnis für Frieden und Demokratie indes die Ausstellung "Kinder, Jugendliche und Jugendführer als Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz und
Umgebung". Autor Wolfgang Gückelhorn informierte mit einem bebilderten Vortrag über das "Lager Rebstock" in Dernau. Und Michael Schankweiler sprach in der Kirche zum Thema "Die Kirche und ihr
Verhältnis zum Judentum - Umkehr und Erneuerung".
Vom Migrationsdienst der Caritas über Amnesty International bis hin zur Ökumenischen Flüchtlingshilfe hatten gut ein Dutzend Einrichtungen und Organisationen die Fußgängerzone zur "Info-Meile"
umfunktioniert. Schüler des Gymnasiums Nonnenwerth ließen Bürger zehn Fragen aus dem Einbürgerungstest für Ausländer beantworten, um zu demonstrieren, dass es selbst für "Alteingesessene" nicht
einfach sei, deutscher Staatsbürger zu werden.
Mit Infoständen am Marktplatz hatten zudem der Seniorenbeirat, die AG 60 plus der SPD, die Grünen und die Linken Position gegen Rechtsradikalismus bezogen. "Wir wollen dem ernsten Anlass des
heutigen Tages mit rheinischem Frohsinn begegnen", sagte der Vorsitzende der Kulturwerkstatt, Rolf Plewa, der gemeinsam mit den Remagener Stadtsoldaten und dem Bündnis für Frieden und Demokratie
für das Bühnenprogramm verantwortlich zeichnete. Und so sorgten unter anderem die KG Narrenzunft, die Kölner "Dom-stürmer" und Gute-Laune-Trompeter Bruce Kapusta für Stimmung auf dem Platz.
Für die nachdenklichen Töne war die Politik zuständig. Allen voran Malu Dreyer, die sich "tief beeindruckt" zeigte, dass eine ganze Stadt Flagge gegen Rechts zeige und keinen Zweifel daran lasse,
"dass wir gegenüber rechtem Gedankengut null Toleranz haben - und dass wir alle gemeinsam für eine Gesellschaft der Toleranz und für eine demokratische Gesellschaft eintreten".
Eine Gesellschaft, die die Würde des Menschen schätze und die Respekt voreinander habe, "unabhängig davon, was wir glauben und wie wir aussehen". Mit dieser Leidenschaft dürfe man nicht
nachlassen. Dreyer: "Wir müssen auch in Zukunft mit großer Empathie für unsere Rechte eintreten und ein deutliches Nein gegenüber Rechts artikulieren."
Zuvor hatte Remagens Bürgermeister Herbert Georgi erklärt, dass "wir diesen Tag mit einem Lächeln auf den Lippen begehen". Importierte Krawallbrüder würden in Remagen keinen Anhänger finden.
Landrat Jürgen Pföhler sagte, es sei eine große Schande, dass Remagen Jahr für Jahr von Rechten missbraucht wird". Er dankte den Bürgern dafür, dass die Stadt Paroli biete.
(Generalanzeiger, 24.11.2013, von Christoph Lüttgen und Victor Francke)